Die folgenden Fotos nahm ich im März 2003 in Sofia,
der Hauptstadt Bulgariens, auf. Am Anfang meines Doktoratsstudiums an der Wiener Kunstakademie interessierte ich mich
stark für die künstlerischen Graffiti, aber mein Betreuer, Professor Dr. E. Alliez, lenkte meine Aufmerksamkeit damals auf die politischen
Graffiti. Er wollte einige Beispiele der politischen Graffiti aus meinem
Heimatstaat Bulgarien sehen und ich machte diese Fotos für ihn.
Fast ein Jahr später habe ich nun schon viel mehr Informationen über das Phänomen
Graffiti zur Verfügung und der Blick auf die Fotos, die ich vor einem Jahr aufnahm, ist
differenzierter. Jetzt möchte ich diese Fotos hier - im Rahmen des Instituts
für Graffiti-Forschung - präsentieren.
Die politischen Graffiti sind immer die ausdruckstärkste Graffiti-Variante. Manche
geben die Stimme der politisch unzufriedenen Bürger wieder, andere sind Abbild des politischen Standpunktes der
Gruppen, die eigene politische Wünsche haben, z.B. die diversen Minderheiten. Meistens sind die politischen Graffiti mit der Staatspolitik verbunden und repräsentieren alle Meinungen „dafür“ oder „dagegen“. Sie bilden einen Spiegel der politischen Situation im Staat
und natürlich gibt es weit mehr davon in jenen Staaten, in denen es häufig Veränderungen gibt. Während des Aufnehmens der
Fotos sah ich das Leben in meinem Staat aus einem anderen Blickwinkel. Die Graffiti sprachen anders...
Aber nicht nur die politische Situation in Bulgarien, der letzte Krieg im Irak, die U.S.A. und die
Person von Präsident Bush waren die Themen der Graffiti-Aktivisten, ich bemerkte
auch eine Rückkehr zur sozialistischen Zeit und zu den sozialistischen Ideen. Das war sehr überraschend für mich. Die
Schreiber verbanden ihr heutiges Leben mit der vergangenen Zeit, nämlich mit der Zeit des Sozialismus. Obwohl sie zu jung sind und keine Zeugen dieser Zeit
sein können, verwenden sie Symbole, die vor ca. 15 Jahren offiziellen Zeichen eines Regimes waren. Heute sind sie aber illegal. Ein gutes Beispiel ist ein
Graffito (Foto #06) - „Rote Skins vorwärts!“. Die Gebrauchweise des Wortes „rot“ hat eine symbolische Bedeutung, genauso wie der Stern, der statt des Buchstabens „A“ im Wort “Н(А)ПРЕД” (vorwärts) verwendet wird. Hier
sind diese Symbole wie ein bindendes Element zwischen zwei verschiedenen Ideen, den postsozialistischen Ideen und den neo-nazistischen Ideen (die Skinheads)
anzutreffen. Es tritt auch das sowjetische Zeichen (Sichel und Hammer) und das Wort Revolution auf (Fotos #05; #07) und manchmal sind diese Zeichen mit den Anti-Nazistischen Proklamationen oder mit dem jüdischen Stern zusammen gebracht (Fotos #02 und #5). Die anderen Meldungen auf
den Wänden sind gegen den Krieg (Foto #01), gegen die Politik der U.S.A. und Kapitalismus (Fotos #09; #13) und auch gegen
Präsident Bush, der als Mörder bezeichnet wird, gerichtet. (Fotos #03;#04;#11; #12)
Die Writer schreiben häufig auf Englisch, deshalb habe ich nur die bulgarischen Texte auf Deutsch zu übersetzen
versucht, obwohl das manchmal sehr schwierig oder fast unmöglich ist.
Foto-Verzeichnis (mit
Übersetzung der bulgarischen Texte):
Foto 01 - der Text „No War“ tritt häufig mit den Tags „CSC“ oder „ERIC“
auf:
Foto 02 – Anti-Nazistische Proklamationen |
Foto 03 – „Der Krieg ermordet Kinder! Bush ist ein Terrorist!“ |
Foto 04 – Weitverbreiteter Text auf den Wänden |
Foto 05, Symbole |
Foto 06 – „Rote Skins vorwärts“ |
Foto 07 – „Revolution“ |
Foto 08 – „Töte den Nazi mit Fußtritten“ |
Foto 09 - Anti-Amerikanismus und MARS-Tag |
oben: Foto 10 - Anti-Faschismus
rechts: Foto 11 – „Nein zum Krieg! Bush ist verrückt!“ |
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Foto 12 |
Foto 13 |
©2004, Desislava Terzieva und Institut für Graffiti-Forschung (ifg). Weitere
Beiträge von Frau Terzieva finden sie in der Graffiti-Enzyklopädie: http://graffitieuropa.org/enzyklopaedie.htm (Suchbegriffe "Bulgarien", "Terzieva")
und auf http://graffitieuropa.org/bulgarien.htm
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