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zur graffiti edition - Fachverlag Graffiti und Street-Art



Norbert Siegl

Definition des Begriffs Graffiti


zur Hauptseite des Instituts für Graffiti-Forschung

 

Graffiti (Einzahl Graffito), ... 


... der Begriff Graffiti leitet sich etymologisch vom griechischen Wort graphein ab. Im italienischen Sprachraum entwickelte sich aus sgraffiare (= kratzen, das Gekratzte) Sgraffiti bzw. Graffiti. Beide Bezeichnungen standen synonym für eine Technik der Fassadengestaltung, einer Kratzputztechnik, bei welcher verschiedenfarbige Putzschichten aufgetragen und dann durch Wegkratzen der oberen Schicht reliefartige Motive gestaltet werden. Viele dieser Sgraffitohäuser stehen unter Denkmalschutz. Siehe dazu das Foto rechts.

Um 1850 wurde der Begriff Graffiti von Altertumsforschern und Archäologen zur Bezeichnung inoffizieller, gekratzter Botschaften übernommen, die sie bei Ausgrabungen in antiken Stätten fanden. Bald dominierte aber der "inoffizielle" Charakter einer Botschaft - unabhängig von der technischen Ausführung - die Begriffsbedeutung und führte zur heute im wissenschaftlichen Bereich üblichen Anwendung.


"Graffiti (Einzahl Graffito) ist ein Oberbegriff für viele thematisch und gestalterisch unterschiedliche Erscheinungsformen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass es sich um visuell wahrnehmbare Elemente handelt, welche "ungefragt" und meist anonym, von Einzelpersonen oder Gruppen auf fremden oder in öffentlicher Verwaltung befindlichen Oberflächen angebracht werden."

Norbert Siegl
 

Fassadengestaltung - Sgraffitotechnik - "der zehnjährige Knabe"
Detail von einem Sgraffito-Haus

 
Geschichte und Bereiche der Graffiti-Forschung



Siehe "Kulturphänomen Graffiti, Teil 1" - http://www.graffitieuropa.org/kultur1.htm

Abbildung rechts - Graffito anlässlich des Einmarsches der sowjetischen Truppen im Jahr 1945

Historisches Graffito

 

Graffiti - ein dynamischer Begriff,
Graffiti - ein Begriff im Bedeutungswandel



In den letzten Jahrzehnten erfolgte eine weitere Wandlung des Begriffs, verursacht durch die neuen Produktionen der Jugendkultur (Writing), die inzwischen offizielle und legale Flächen für sich eroberten:

In der Variante des graffiti-writings der Sprayer bezieht der Begriff "umgangssprachlich" auch offiziell ausgeführte Auftragsarbeiten und künstlerische Produktionen mit ein, was eigentlich im Widerspruch zur klassischen Graffiti-Definition steht. Im wissenschaftlichen Bereich wurden einige Begriffe entwickelt, die diesem Widerspruch Rechnung tragen und Differenzierungen ermöglichen: Spraycan-Art, Post-Graffiti, Aerosol-Art, Art-Graffiti, etc. Auch der junge Begriff Street-Art wird oft auf Produktionen der Spraydosen-Kultur angewandt, sofern die künstlerischen Aspekte darin überwiegen, wie etwa bei den großen Pieces.

Inzwischen existieren bereits drei Paralleldefinitionen, wobei die umgangssprachliche Bedeutung und die künstlerische Definition die geringste Trennschärfe aufweisen. Siehe dazu die Überlegungen auf: http://www.graffitieuropa.org/kultur1.htm

Das wichtigste Klassifikationsmerkmal bei der Zuordnung zum klassischen Graffiti-Begriff ist und bleibt aber, dass eine Botschaft "ungefragt" - ohne den Besitzer der Fläche um Erlaubnis zu fragen - entstanden ist.

 

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Der GRAFFITI READER - Basiswerk der multidisziplinären Graffiti-Forschung

 

Graffiti und Street-Art - Legalität vs. Illegalität
juristische Aspekte - Strafrecht


Viele ältere Definitionen operieren mit dem Begriff der Legalität bzw. Illegalität. Allein damit ist keine Trennschärfe zu erreichen, da viele Graffiti-Formen traditionell zur Kultur der Menschheit gehören und keineswegs unter Strafandrohung stehen. Man denke dabei etwa an die Kommunikation auf öffentlichen Toiletten, auf Schultischen, an Touristeninschriften an Sehenswürdigkeiten oder an den Brauch Verliebter, ihre Initialen an Bäumen zu hinterlassen... .

Die Betonung der vielfältigen Erscheinungsformen von Graffiti ist sehr wichtig, weil oft unterschiedliche Assoziationen mit dem Begriff verbunden sind und eine Vernachlässigung der Differenzierung zu Verständigungsschwierigkeiten führt.

 

Siehe dazu die ifg-Seite "Graffiti und Strafrecht, Sachbeschädigung in D und A" - http://www.graffitieuropa.org/strafrecht1.htm

 

Graffiti-Forschung als angewandte Wissenschaft,
die bedeutendsten Arbeiten



Die Graffiti-Forschung als multidisziplinär orientierte Wissenschaft beschäftigt sich mit allen Aspekten der Kommunikationsform Graffiti. An diesen Forschungen waren und sind viele herkömmliche Wissenschaftsdisziplinen beteiligt:
Soziologie, Kunstgeschichte, Archäologie, Kulturgeschichte, Germanistik, Slawistik, Romanistik, Völker- und Volkskunde, Sprachwissenschaften, Medienforschung, Psychologie, Rechtswissenschaft, Kriminalistik, ... .

Dabei werden meist nur Teilaspekte eines Phänomens beleuchtet und erforscht. Der Mangel, der sich aus eindimensionaler Betrachtung ergibt, führte zur Gründung der multidisziplinären Graffiti-Forschung.

Siehe "Kulturphänomen Graffiti, Teil 2" - http://www.graffitieuropa.org/kultur2.htm

Im Bild rechts das Kategoriensystem das 2007 im Zusammenhang mit einer Untersuchung über Graffiti und Intoleranz entwickelt wurde, siehe: http://www.graffitieuropa.org/rechtsextremismus.htm

 

 

Graffiti-Forschung und Sprachwissenschaft


Eine wichtige Rolle spielten und spielen verbale Graffiti im Rahmen der Sprachwissenschaft.

Anhand von Graffiti lassen sich "umgangssprachliche" Benennungen, Dialektausdrücke sowie sprachliche Neukreationen erfassen.

Abb rechts:
Dialekt-Message unter einem Graffiti-Piece der Writer-Kultur

 

 

Graffiti-Forschung - Fundorttypologie
Bild-Beispiele für Fundorte



Graffiti können grundsätzlich an jeder veränderbaren Fläche im öffentlichen Raum entstehen. Rechts einige Beispiele:

Sexualzeichnung an einer Klotüre, Graffiti von Naturschützern an Bäumen, Graffiti an einem Kaktus, Graffito an einem Wahlplakat, Graffito der Writer-Kultur, Panel, an einem S-Bahn-Waggon (JUNO)

 

Eine Fundorttypologie wurde auf folgender Seite veröffentlicht: Kulturphänomen Graffiti, Teil 2, http://www.graffitieuropa.org/kultur2.htm

Die Graffiti-Enzyklopädie online enthält (Ende 2009) rd. 9.000 veröffentlichte Dokumente von unterschiedlichsten Fundorten, siehe: www.graffitieuropa.org/enzyklopaedie.htm )


 
Graffiti - Basisliteratur der Graffiti-Forschung


In den letzten Jahren kam es zu einer Flut an Veröffentlichungen zu den Themen Graffiti und Street-Art. Die meisten dieser Publikationen erheben keinerlei wissenschaftlichen Anspruch und leben von der Ästhetik der unreglementierten Kommunikation.

Fundamentalere methodische Überlegungen und Hintergrundinformationen sind selten. Auf einer Sub-Seite des ifg: "Basiswerke der Graffiti-Forschung" finden sie bibliografische Daten zu grundlegenden Werken unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen - http://www.graffitieuropa.org/literatur1.htm

Basisliteratur der Graffiti-Forschung

 

Graffiti - Bild-Beispiele, thematische Inhalte


Die analytische Aufarbeitung der thematischen Inhalte von Graffiti ergibt 4 Kategorien und 22 Groß-Bereiche - siehe dazu Kulturphänomen Graffiti:

http://www.graffitieuropa.org/kultur3.htm

und

http://www.graffitieuropa.org/berlingraffiti1.htm

 

Rechts einige Themen zur Illustration:

Antisemitismus, Religion, Anti-Kapitalismus, Rassismus/Fremdenfeindlichkeit


 


Die Fachsprache der Writer-Kultur


Eine eigene "Fachsprache" entwickelte sich an den Graffiti der Sprayer- und Writer-Kultur. Die Termini aus dem angloamerikanischen Raum nehmen sowohl auf die formalen Kriterien als auch auf Umfang/Größe, stilistische Merkmale/Ausführung und Anbringungsort Bezug.

Rechts ein klassisches "piece" aus dem Wiener S-Bahn-Bereich. Zusammengesetzt aus dem "style" (= Schrift) und dem "character" (= dem figurativen Element). Bildbeispiel CURTIS, Wien 2006

Eine ganz besondere Bedeutung haben die Fahrzeuge der diversen schienengebundenen öffentlichen Verkehrssysteme für die illegale Writer-Kultur:

Am häufigsten zu finden sind so genannte PANELS oder PANEL-PIECES  - siehe Abb. rechts, Mitte. Meist bedecken diese Pieces einige Meter der Längsseite des Waggons (oft von Tür zu Tür bzw. von der Tür zum Ende des Waggons) und reichen vom Boden des Waggons bis zum Fenster (und bedecken meistens auch einen Teil des Fensters).

Weit seltener verbreitet sind die so genannten WHOLE CARS - siehe Bild rechts unten - dabei bedeckt das Bild die gesamte Seitenfläche eines Waggons (inkl. Fenster).

Noch seltener findet man komplett bemalte Züge, sogenannte WHOLE TRAINS.

Bildbeispiele rechts: Wien, S-Bahn-Waggons, 2009

Ein ausführliches Lexikon der Begriffe des Writing finden sie auf folgender Seite: http://graffiti.org/faq/graffiti.glossary.html

 




 

Graffiti-Kultur
grundlegende technischen Varianten



Betrachtet man Graffiti als eigenständige Kommunikationsform, so ist Nähe und Verwandtschaft zu vielen anderen Mitteilungen und Postings gegeben, denen man im öffentlichen Raum begegnet (Sticker, Aufkleber, Kleinplakate, etc.). Formen, die teilweise dem Begriff Street-Art zugerechnet werden.

Geht man von der technischen Ausführung aus, gibt es folgende drei Varianten bei der Graffitiproduktion:

  1. Das auftragende Verfahren:
    Dabei wird die Oberflächenmodifikation durch Hinzufügung von Substanz, meist Farbe, erreicht. Es ist das mit Abstand am häufigsten angewandte Verfahren. Gestaltet wird mit einfachsten Schreibgeräten wie Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift, ... und reicht bis hin zur ausgeklügelten Technik mit unterschiedlichen Caps auf Farbspraydosen.
     

  2. Das abtragende Verfahren:
    Dieses Verfahren entspricht etwa dem Begriff der Archäologen und Altertumsforscher des 19ten Jahrhunderts. Dabei kommt es durch Wischen, Kratzen, Schnitzen, Bohren ..., zu einer Modifikation in der Oberflächenstruktur, welche durch Substanzverlust hervorgerufen wird. Die chronologisch ältesten Graffiti, die man finden kann, sind in dieser Technik hergestellt. 

    Das abtragende Verfahren findet neuerdings auch bei den so genannten REVERSE GRAFFITI Anwendung. Dabei werden Schmutzschichten an Fassaden so abgetragen, dass dabei Kunstwerke entstehen. Der bekannteste Klassiker in dieser reversen Technik ist das "wasch mich" oder "putz mich", das man oft an verschmutzten Autos und Glasfassaden finden kann.
     

  3. Das komprimierende oder verdrängende Verfahren:
    Dabei bleibt die Menge der Substanz gleich, die Oberfläche wird modifiziert, indem Stellen verdichtet oder verdrängt werden. Beispiele sind Inschriften oder Spuren in Sand, Schnee, Beton, ... oder Modifizierung durch Pressen und Stanzen.
    Eine offizielle Version dieser Technik sind die Fuß- oder Handabdrücke prominenter Personen, die man in so genannten "walks of fame" finden kann.


1. auftragendes Verfahren, Substanz, Farbpartikel werden einer Fläche hinzugefügt



2. abtragendes Verfahren, Modifikation der Oberfläche durch Substanzverlust


3. Komprimierung oder Verdrängung von Substanz

 

Graffiti - Einzelstücke oder vielfach reproduzierbar?

Graffiti sind in der Regel Einzelstücke. SONDERPHÄNOMENE hinsichtlich rascher und gleichbleibender Reproduzierbarkeit sind Graffiti, die mit SCHABLONE (pochoir, stencil - es gibt positives und negatives Verfahren - siehe dazu auch: Frankfurter Graffiti-Prints) oder STEMPEL hergestellt werden, sowie die in der Writer-Kultur anzutreffenden TAGS auf KLEBEFOLIE. Bei den Tags auf Klebefolie, den Stickers, wird das Motiv zuerst auf eine eigene oder angeeignete Fläche aufgetragen, diese wird dann in den öffentlichen Raum geklebt - besonders beliebt als Grundfläche sind die Päckchen-Aufkleber der deutschen und österreichischen Post.

Schablonengraffito, pochoir, stencil:

Textgraffito - an eine Wand gestempelt:

Sticker, Aufkleber:

Das Gleiche ist nicht Dasselbe - je nach Untergrund und Ausführung entstehen unterschiedlich wirkende Varianten.

 


Kritzelei und Schmiererei:

  • KRITZELEIEN gibt es v. a. auf Kinderspielplätzen, sie sind dort als wichtige feinmotorische Übung anzusehen. Daneben findet man sie auch als "halbbewusst" nebenher entstehende Figurationen von Erwachsenen und Jugendlichen (besonders häufig in Telefonzellen und auf Schreibflächen in Schule und Universität). Fälschlich werden aber auch viele der schwer entzifferbaren Tags und andere Inhalte, mit denen man sich nicht auseinandersetzen will, so bezeichnet. 

  • SCHMIEREREI ist ebenfalls ein Begriff, der überwiegend völlig falsch angewendet wird. In Wirklichkeit sind Schmierereien, im Sinne von "ver-schmieren" kaum zu finden, meist entstehen sie dort, wo unsachgemäße Graffiti-Entfernung vorgenommen wurde

Abbildungen rechts - Wiener Längsschnittstudie der Graffiti-Forschung - Schmiererei - verschmierte Graffiti-Tags in einer Wiener U-Bahn-Station

 


 
Der neue Begriff Street-Art:


Meiner Definition des Jahres 2005 zufolge - die auch in der "Brockhaus-Enzyklopädie" veröffentlicht wurde - umfasst der Begriff Street-Art alle Formen der kostenlosen (offiziellen und inoffiziellen?) künstlerischen Produktion und Präsentation im öffentlichen Raum. Die wichtigsten Arten der Street-Art sind künstlerische Graffiti, Sticker, Aufkleber, Straßenmalerei, Affichements, Pochoirism, murales/Wandmalereien, Cutouts, ... .

Inzwischen (2009) steht der Begriff Street-Art für ein eigenes (und kommerzialisiertes) Genre der bildenden Kunst: es gibt Street-Art-Passagen, Street-Art-Galerien etc., in denen käufliche Werke zur Schau gestellt werden.

Das wesentlichste Merkmal meiner ursprünglichen Definition "kostenlos ... im öffentlichen Raum" ist also weitgehend überholt.

Foto-Beispiele aller Varianten finden sie in der Online Enzyklopädie - Graffiti und Street- Art: http://members.chello.at/norbert.siegl/ . Eine Annäherung an den Begriff Street-Art wurde 2005 auf http://graffitieuropa.org/streetart.htm veröffentlicht. Zur Ambivalenz der Street-Art-Künstler siehe auch http://www.graffitieuropa.org/news/305.htm

 


 
Online-Enzyklopädie der Graffiti-Forschung


Im Rahmen der Online-Enzyklopädie der Graffiti-Forschung wird fortlaufend (seit 2001) von internationalen Experten über interessante Aspekte des Kulturphänomens Graffiti berichtet.

Link:
http://www.graffitieuropa.org/enzyklopaedie.htm

Die wichtigsten Mitarbeiter an diesem Projekt sind

zur enzyklopädie


 

Das Graffiti- und Street-Art Museum

siehe: http://www.graffitimuseum.at/

Wiener Graffiti- und Street-Art-Museum

 

©2010 Institut für Graffiti-Forschung, Hinweise und konstruktive Kritik sind willkommen.
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last update: 01.01.2010

Graffiti-Aufträge, Wandgestaltungen, zur internationalen Auftragsvermittlung
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