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Saul Len:

Das Frankfurter Graffiti-Projekt

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Ich fotografiere seit 1988 fortlaufend im Rhein/Maingebiet Graffiti, die Sammlung ist derzeit auf ca. 9.000 Bilder (2001!) angewachsen...

... wie hat dies begonnen? 

Mit einer witzigen Geschichte:

Wir schreiben das Jahr 1984, und ich hab eine Katze zu füttern. Weiß nicht mehr, wie ich auf diese Schnapsidee gekommen bin, habe mir einen Stift gegriffen und den Katzennamen da und dort an die Wand geschrieben. Unter anderem auf dem Kneipenklo, worauf umgehend die Antwort "Hallo Saul" folgte, in meinem damaligen Kreis war der Name meines Stubentigers bekannt. Rückblickend gesehen, hab ich also ein Tag geschrieben, ohne zu wissen, was ein Tag ist. 1984 gab's in Frankfurt noch keine Writer, allenfalls Reste von H. Naegeli und die unvermeidlichen Politparolen.

Der tatsächliche Anfang war 87/88, da und dort waren nun diese "Hieroglyphen" zu sehen. Noch hab ich nicht verstanden, was das soll, aber es brachte mich auf den Gedanken: "das lässt sich zumindest ablichten". Im Rahmen meiner ABM-Stelle musste ich einen Stapel Zeitungen für den ID-Amsterdam abholen und zwar in Hofheim. Dahin fährt man zweckmäßigerweise mit der S-Bahn und unterwegs gab's die ersten Pieces zu sehen. Ich konnte es kaum lesen und hatte keine Idee, was das sollte - macht nix, die alte Praktika (lang nicht mehr benutzt) gegriffen und nur noch ein Gedanke: "Ich krieg sie vor die Linse". Also die S-Bahnstrecken abfahren und sehen, was da ist. Der nächste Schritt, ein Griff zum Stadtplan, wo gibt es versteckte Architektur - soll heißen - Unterführungen, Bahnbrücken, Stellen, wohin sich nachts kaum jemand verirrt. Und ich hatte den richtigen Riecher. Ich wollte doch nur dokumentieren, war es eine zugetaggte Unterführung, die mich auf dumme Gedanken brachte? Nicht mehr nachzuvollziehen, aber warum mach ich das nicht auch? War nicht ganz so selbstverständlich, ich war bereits 30, in dem Alter schmiert man doch nicht an der Wand rum. Und warum nicht? Pfeif drauf, wozu gibt's Stifte und die Marke Edding? Hat mir später geholfen, als ich die ersten Writer kennen lernte, teils genau an den Stellen, wo auch am Tag kein normaler Mensch hingeht. Half das Misstrauen zu beseitigen, ich sah schon altersmäßig nicht wie ein Writer aus, zu der Zeit waren die alle so zwischen 15-20. Also lernte ich nach und nach Brain, Bomber, Sair (bei Flugzeugabsturz gestorben), Sik, Zip und den Rest kennen.

Die Sammlung wuchs an, meine Fachkenntnisse ebenso. Ich lernte das Bahnsystem kennen, wohin die Züge fahren, wann sie wiederkommen, wo man sich zweckmäßigerweise hinstellt und mit Jörg, der ebenfalls ablichtete, konnte ich mir einen unernsten Wettkampf liefern: Wer kriegt mehr vor die Linse.
Dann gibt es die legalen Aktionen, da bekommt man was vor die Linse, aber da wird ohnehin schon genug fotografiert. Natürlich werden illegale Bilder anders gewertet als Leinwandbilder, trotzdem wollte ich diese Wertung nicht für Fotos übernehmen, auch Leinwandbilder passen in so eine Sammlung, warum auch nicht?

Längst die Kamera gewechselt, Züge warten nicht auf die richtige Zeit und Blende. Dann gab's Abenteuer vor der Haustür, wie kommt man ins Vorfeld? Wann kann man hingehen? Wie kommt man lebend wieder raus? Wie viel soll man riskieren? Man lernt die Ohren zu spitzen, wenn die Weiche zu hören ist, nicht warten, bis die Schienen zu singen anfangen. Und man lernt seine Mitmenschen kennen. Die Gespenster sehen sie nicht, nur die Spuren. Dafür sehen sie mich beim Ablichten. "Und sie fotografieren diesen Dreck auch noch?", "Denen sollt man die Hand abhacken!". Das gesunde Volksempfinden hatte ein neues Hassobjekt gefunden. Oder wenn Wandbesitzer mit Bullen und Schlimmerem drohen, weil sie meinen, einen gefunden zu haben, der es gewesen sein soll - das muss man wegstecken können.

Dass man Bahnarbeitern auffällt,  kommt vor, macht nix, darüber lässt sich reden. Ist mein Risiko - und ich bin nicht lebensmüde. Erst mal es auf vernünftige Weise versuchen. Mit manchen Gestalten kann man nicht reden, wenn sie einen beim Dosenziehen erwischt haben - vor allem, wenn sie Uniform tragen. Dann schwingt man sich besser aufs Rad und sucht einen ruhigeren Arbeitsplatz. Anfang der 90-er war ich so tief drin, dass ich das Gras wachsen hörte, stets die neusten Geschichten. Wo gibt's neue Bilder, wer wurde mal wieder beim Rippen erwischt oder im Yard von der Soko. Solche Sachen gingen stets in der Szene rum, wie ein Lauffeuer. Und gelegentlich glühten die Telefondrähte, Grossalarm, ein TTB fährt wieder. Na und wenn ich mir eine Nacht um die Ohren schlage, um mit ins Yard zu kommen, dann soll es sich gelohnt haben. Gibt nette Nachtbilder.

Um im U-Bahntunnel zu fotografieren, muss man sich schon die Nacht um die Ohren schlagen, ich konnte aber auch die seltene Gelegenheit eines Streiks nutzen und tagsüber durch den Tunnel wandern. Schwachsinn da rumzusprühen, aber auch solche Bilder passen in die Sammlung und wenn man schon da unten ist, wenigstens eine Dose schadet nicht. Der erste in Frankfurt war Sair und seine Tunnelbilder gibt es heut noch.

Zum Stichwort Marktwert ist noch eine Anmerkung fällig. Einen gewissen Marktwert hatten sowohl Graffiti als auch Fotos davon, solang es neu war und es wenig davon gab. Nachdem es zur Massenerscheinung wurde, verloren die Medien das Interesse und wer weiter ablichtete, tat dies nicht mit dem Hintergedanken der Vermarktung. Damit muss man sich abfinden, als es neu war und niemand wusste, was das soll, konnte man den Medien erzählen was man wollte, sie haben zu der Zeit alles gefressen. So standen selbst in der gutrecherchierenden FAZ Irrtümer, über die wir uns vor Gelächter wegschmissen. Da wurde die DBA (Dead Bone Artists) als Died Bone Artists geführt. Wie man das wohl übersetzen soll? Tja, wenn man nur bei der SOKO recherchiert, da passiert so was schon mal.
Sonst hab ich in dieser seltsamen Welt alles mitgemacht, solang ich es vertreten konnte. Es gibt Grenzen: Fotos von S-Bahnsurfern hatten Marktwert. Hätte was verdienen können. Meine Begründung war einfach, ich kann sie nicht daran hindern, ihr Leben wegzuschmeißen, aber ich muss es nicht noch mit Fotos fördern. Ist schon lang out dieses Spiel und auch besser so.

Wer Graffiti fotografiert, weiß, das kann schon bei Tag zum Abenteuer werden. Man lernt Orte kennen, wo sich allenfalls Maus und Ratte gute Nacht sagen. Klettern kann auch mal nötig werden und sich durch zugewachsenes Gebiet drücken. Bahnstrecken sind eben kein normales Kunstmuseum. Zum größten Zeitaufwand werden die Entfernungen, wenn man im Vorbeifahren Bilder sieht, so ist das eine Sache, eine andere ist es, diese Stellen zu erreichen, dafür lohnt meist der Weg. Eine Frage der Faulheit - aus dem Zug ablichten ist auch möglich, an manchen Stellen geht es, ist aber unsicher und teils muss man Qualitätsverlust hinnehmen. Zumindest braucht man eine vollautomatische Kamera und hohe Verschlusszeiten. Am einfachsten ist es, wenn der Zug ein- bzw. ausfährt, also noch geringes Tempo hat, man muss nur schnell reagieren können. Auf diese Weise erwischt man nicht nur Wände, sondern wenn man Glück hat, auch zugebombte Züge. Der Zug sollte dazu nicht grad überfüllt sein, dann hat man Platz am Fenster oder im Sommer geht es mal auch aus dem offenen Fenster.

Was den internen Stress betrifft, vom Übermalen, Auscrossen bis zu Härterem, was eben unter Jugendlichen so läuft, da hab ich mich schon aus Altersgründen rausgehalten. Zumindest wurde es verstanden: einerseits voll drin, andererseits neutraler Beobachter. Aber auch nicht unbeteiligt, mir ging es nie darum die Sprüher in eine bestimmte Ecke zu drängen, oder aus ihnen etwas zu machen, was sie nicht sind. Als einer auf die - vermutlich aus Frust und Dummheit entstandene Idee kam - sich den Namen Hamas zu wählen, sah ich keinen Grund für Sozialarschverständnis. Bei entsprechender Gelegenheit sagte ich klar, dass der den Namen einer feigen Mörderbande schreibt, die Kinder in den Tod schickt. Zumindest hab ich diesen Namen fotografisch weniger beachtet, auch bei mir gibt's Grenzen...

Das betrifft auch die Bildauswahl, z.B. wenn nur noch die Topbilder fotografiert werden. Auch wenn ich nicht nur auf Verständnis stieß, eine zugetaggte Wand schadet nicht, ebenso wenig ein einzelnes Tag. Und auch mit anderen Gattungen (Schablone, Politspruch, Naegelistyle) hatte ich keine Probleme. Was soll man denn damit? Darüber musste ich nicht nachdenken. Wenn man schon vorher darüber nachdenkt, ob das Bild auch Marktwert hat, dann sollte man sich eine andere Beschäftigung suchen. Was die Einordnung betrifft: chronologisch, Ort und Zeit müssen drauf, sonst verliert man die Übersicht.

Kann man mit der Sammlung auch was anfangen? Klar, man kann bei einer Agentur versuchen, einige überzählige Bilder loszuwerden und sich den Dreckspruch anhören "wir arbeiten mit Profis". Und denen anschließend wünschen, sie mögen an ihrer Arroganz ersticken. Sinnvoller ist es, an Fanzines was rüberzuschicken, bringt zwar kein Geld, dafür wird's gedruckt, ebenso an Buchprojekte. Na und das Stadtarchiv hatte auch mal Interesse, die haben sogar dafür gezahlt. Sonst sind es Ausstellungen bzw. Aktionen im Juz, bei denen ich die Bilder verwenden konnte und auch neues ablichten kann, sonst hab ich in Jugendzentren eh nix verloren.

Sicher gibt's auch Highlights: wenn sich Graffiti ungefragt ins Zeitungsbild drängen, im "Tatort" zu sehen sind oder sogar auf einer Postkarte.
Man kann auch etwas machen, was noch keiner gemacht hat, z.B. die erste Beschreibung dieser Sprühkultur in einer Autonomenzeitung (Swing aus Ffm) und noch drei weitere Teile veröffentlichen. Noch heute glauben viele, Writer hätten irgendwie was mit den Autonomen bzw. mit Linken zu tun. Die Linke war so mit ihrer Politik beschäftigt, dass sie Writing erst zur Kenntnis nahm, als es selbst um Mitternacht bei geschlossener Wolkendecke nicht mehr zu übersehen war. Und auch danach mussten sie auf die Zeitungstexte warten, nachdem auch die Medien endlich begriffen hatten, was das alles soll. Witzige Randbemerkung, auf dem Uniklo schrieb ein Schüsselbesetzer zu den Tags, "Perserscheiße!". Kam dem irgendwie arabisch vor. Jedenfalls blieb daher die alte Diskussion aus, die noch um H. Naegeli und die Vermarktung von Graffiti tobte.

Die Writer kamen nicht aus der linken Politszene und hatten von Anfang an keine ideologischen Probleme, als sich damit auch Geld verdienen ließ. Aber weil verboten und verfolgt, werden Writer immer wieder mit einer Szene in Verbindung gebracht, mit der sie nie was zu tun hatten. Und da haben sie sogar recht, ohne es zu wissen. Zumindest dies kann ich beurteilen. Und beurteilen kann ich auch, dass die Inhalte die teils mittels Schablonenprints an die Wand gesprüht sind oder auf übergroßen Sticker, in keiner linken Zeitung gedruckt würden. Gäbe sofort einen Zwergenaufstand linker Tittenwächter. Das soll nicht mein Problem sein. Die Insiderregeln, die von Außenstehenden nicht mal verstanden werden, muss ich ja nicht ganz so ernst nehmen, daher hatte ich den Freiraum zum experimentieren, mal sehen, was man mit dem Material so alles anstellen kann. Denn das Ingroupverhalten war mir noch aus der linken Welt allzu vertraut und mit dieser hatte ich schon lange nicht mehr viel zu tun. Schon gar nicht ging es darum, linke Träume zu erfüllen, vom Kampf gegen das System oder der Kritik am Beton. Writer haben mit Beton keine Probleme, wie es in der Werbung steht, es kommt darauf an, was man daraus macht. Witzigerweise haben Writer ohne Absicht einiges realisiert von dem Linke redeten: Veränderung der Alltagswelt, das haben Writer in einer Weise geschafft, die es vorher nicht gab. Unberechenbar und unverständlich werden, sich nicht der herrschenden Logik und den bekannten Schablonen anpassen, diese alten Anarchoträume, lang ausgeträumt und mit zunehmenden Haarausfall längst in Archiven verschwunden. Writer haben nie was davon gehört, mussten sie auch nicht, um genau das zu tun, allerdings ohne ideologische Absichten. War Writing deswegen so erfolgreich und konnte sich global ausbreiten, weil es genug Freiraum lässt, weil es keine Gebote gibt, die irgendwer überwachen könnte? Weil es ebenso wenig Aufpasser gibt, die mit Ausschluss drohen können, wenn man sogar Geld damit verdient? Jedenfalls ist Spraycan Art als Buch zu verstehen, das diese Idee verbreitet hat, auch wenn es als Writerbibel gilt, es hat nichts mit einen dogmatischen Regelwerk zu tun. Hätten einige noch was lernen können, aber wenn ich heute noch Gesprühtes von Linken sehe, sie werden es nie lernen. Auch, dass es nicht ausreicht, mit der Einstellung zu sprühen: Hauptsache man kann die Parole lesen. Schon an der einfallslosen Typographie linker Presse lässt sich das feststellen. Auch ein Grund für ihre Erfolglosigkeit?

Dies soll nicht heißen, dass es in der Writerwelt frei und unbekümmert zuginge. Auch da werden Regeln zum Machtmittel. Regeln, die aus guten Grund mal entstanden sind, sich dann zum Dogma verselbstständigen und zum Eintrittsschlüssel werden, der entscheidet, ob man dazugehören darf. Warum soll es da auch anders zugehen als im Rest der Welt. Auf HipHop-Jams dagegen bin ich nur hin, um die Leute zu treffen und um was vors Objektiv zu bekommen. Da habe ich meinen Trennungsstrich gezogen, HipHop ist Musik, die Szene zeichnet sich durch Clubwear aus, nicht jeder entspricht der Vorlage, Writing/HipHop/Clubwear. Wenn es unter Writern wenig Frauen gibt, liegt das sicher auch an den Arbeitsbedingungen in dieser Aerosolwelt. In der HipHop Szene sollte es genug Frauen geben, sollte man meinen. Auf Jams sind diese allenfalls eine kleine Minderheit. Scheint an den Besonderheiten dieser Welt zu liegen, die wirkt entweder abschreckend oder HipHop ist schon von der Struktur her eher eine Männerveranstaltung. Welche Frau will sich auch als Schlampe bezeichnen lassen? In anderen Musikwelten fühlen Frauen sich offenbar eher zuhause.

Schon das Fotografieren ist zeitaufwendig. Da mich die ABM-Stelle nicht allzu sehr beanspruchte, ging es. Danach war ich eh arbeitslos und hatte Zeit genug. Wenn das die Bürokraten vom Arbeitsamt wüssten, Verständnis darf man da nicht erwarten. Musste ich denen auch nicht erzählen. Aber da war ich in guter Gesellschaft, es gibt viele, die ihre Zeit nutzen um kulturell zu arbeiten, auch wenn es kein Geld bringt, statt im Sinne der Sozialbürokraten mit schlechtem Gewissen und zerknirscht nach Arbeit zu suchen...

Andererseits schaffen Graffiti auch wieder Arbeit, die Bahnarbeiter, die Pieces buffen und den Sprühern die Pest wünschen, denken nicht darüber nach, dass der marode Bahnbetrieb sie sonst längst entlassen hätte. Auch Arbeitslose kann man zum Säubern der Bahnhöfe einsetzen und schon sind einige weniger in der Statistik, wurde zeitweilig in Frankfurt so gemacht. Oder Wahlpropaganda - wenn sich die Bürgermeisterin eigenhändig beim unprofessionellen Übermalen ablichten lässt.

Graffiti sind von begrenzter Lebensdauer, sie verschwinden bald auf der S-Bahn, an Wänden werden sie nicht nur gebufft, in keiner Stadt wird soviel abgerissen wie in Frankfurt. Oft genug verschwindet auch die Wand. Und in U-Bahnstationen schon nach zwei Tagen. Wenn ich dann das Teil doch vor der Linse hatte, dann weiß ich, warum ich das mache. Gelegentlich stellt sich jeder diese Frage. Anfangs als es noch wenig Bilder gab, bin ich auch hinterhergejagt, danach wollt ich sie möglichst alle haben, danach musste ich nicht mehr jedem Farbstrich nachjagen. Eine Auswahl reicht - etwa in der Art: das lief 97, so sah es 98 aus und hier ein Querschnitt 2000.

Spezielles über Stickers:
Die bekommt man vorgefertigt als Adressenaufkleber, um sie voll zu malen. A4 ist die maximale Größe, wenn das nicht reicht, so lassen sie sich übereinander kleben und zur Plakatgröße ausbauen. Bei der Farbauswahl auf lichtfeste Farben achten, da die Klebensdauer nie vorhersehbar ist. Gegen Regen hilft Fixierspray, auch wenn die Farbe ausnahmsweise nicht wasserfest ist, z.B. aus dem Drucker. Sticker aus dem Drucker sind eher selten, Handarbeit wird bevorzugt, aber in heutigen PC-Zeiten auch für Writer keine aufwendige Sache mehr. Wohin damit? Die Fläche muss trocken und sauber sein, schon vorhandene Plakatwerbung ist geeignet, wenn auch von begrenzter Dauer. Ablichten nicht vergessen, lässt sich auch vor dem Kleben machen, aber es kommt besser, die Stickers vor Ort auf dem Bild zu haben. Wenn man schon einige Zeit in Kreuzberg ist, da passen noch etliche Stickers mit entsprechendem Inhalt, und gerade hier macht es Laune, Leute zu ärgern die schon bei grafischen Kurven Gespenster sehen und ausrasten. Auch ein Weg, das Bilderverbot von Leuten zu brechen, die zwar nur eine bedeutungslose Minderheit darstellen, sich aber immer noch einbilden, Kreuzberg wäre ihr Eigentum.

Und dann noch die Frankfurter Prints. Warum Prints? Nun einen Namen brauchte das Zeug, weil es sich von den gängigen Schablonengraffiti unterscheidet. Einmal in der Technik, die Papiervorlage klebt an der Wand und wenn man sprüht nicht zuviel Farbe drauf, sonst kommt es zu Kapillarwirkung. Dann verläuft die Farbe, und das Bild taugt nichts. Wenn's klappt, wird es gestochen scharf, genauer kann man mit der Dose nicht arbeiten. Klar gab es am Anfang Fehlschläge wie bei jeder neuen Technik, und auf Vorlagen konnte ich nicht zurückgreifen, es gab ja keine. Schablonengraffiti zeichnen sich dadurch aus, dass die ausgeschnittenen Flächen auf der Wand als Farbfläche zu sehen sind. Prints erkennt man daran, das die ganze Papierfläche als Negativ bzw. Positivbild zu sehen ist, je nach Farbauswahl. Im Buch "Pochoir" von van Treek ist ein solcher Print zu sehen (S. 19).
Mangelndes Verständnis muss man wegstecken können, etwa: "das ist doch keine Kunst". Das sagen meist solche, die es nie versucht haben, dafür müssen sie auch nicht erfahren, wie man mit Prints arbeitet, man muss nicht alles erzählen, wenn man schon mal eine Technik von Null aus den Boden stampft...

Nun - 13 Jahre bestehen nicht nur aus Fotos und Dosen, es gibt auch Zwangspausen, wenn die mehr oder weniger alltäglichen Katastrophen über einen hereinbrechen. Mit Einzelheiten möchte ich hier niemand belästigen. Aber selbst nach einer Zwangsräumung kann man noch ablichten...

Was die Themen der Bilder betrifft: bekannt ist, dass Comicfiguren übernommen werden, aber dann auch viele auf realistische Bilder umstiegen und eigene Motive entwickelten. Das Sprühen bekannter Comicfiguren sah dann zu sehr nach einfallslosem Biten (abkupfern) aus. Mein Gebiet ist da eher die Buchgraphik der Jahrhundertwende und da lässt sich als Verbindung von Schrift und Bild noch einiges ausbauen. Vor allem auf A4 Stickers kann man sich austoben und dann noch mit dem Photo sichern, irgendwer muss es ja tun. Writer verlassen sich nicht darauf, dass es schon jemand ablichten wird, sie machen es selbst.

Mein Einstieg in die Digiwelt wirkte sich auch auf die Stickerproduktion aus, mit S/W Drucker lässt sich schon was machen und auch eine Mischung aus Druck und Weiterbearbeitung mit Stift hat Wirkung. Sonst führt der PC erstmal dazu, dass ich weniger Zeit für Graffiti hab, der Einstieg in dieses Medium ist zeitraubend genug ...

 


Herr Len ist Vorstands-Mitglied des Instituts für Graffiti-Forschung und war Referent beim internationalen Street-Art und Graffiti-Kongress 2006 in Wien - siehe: http://www.graffitieuropa.org/kongress.htm . Einen Überblick über die bisherigen Web-Veröffentlichungen Herrn Lens im Rahmen des ifg finden sie in den bisher 353 Ausgaben der Graffiti- und Street-Art-News (siehe Graffiti-Enzyklopädie - Suchbegriffe 'Len', 'Frankfurt').


Saul Len  - weitere Veröffentlichungen:

http://graffitieuropa.org/frankfurt/01.htm
http://www.graffitieuropa.org/frankfurt/naxos/index.htm 
http://ostendfaxpost.redio.de/
http://www.graffitieuropa.org/frankfurt/s-bahn-graffiti/index.htm
http://www.graffitieuropa.org/news/313.htm 


9.9.01 - 2012©Saul Len (Text und Fotos), ifg (Website und grafische Gestaltung)


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