1997 veranstaltete das Institut für Graffiti-Forschung (ifg) in der Wiener Hochschule für Angewandte
Kunst den ersten internationalen Graffiti-Kongress. Die damals
erarbeiteten Ergebnisse führten zu einer wesentlichen Entlastung, zu
Entspannung und Verständnis im Umgang mit den neuen Formen der
Jugendkultur (graffiti-writing) und schufen - zumindest für den Raum
Österreich - ein toleranteres und aufgeklärteres Klima, als es in den
meisten westeuropäischen Staaten anzutreffen ist.
Die Publikation,
in welcher die Texte der wichtigsten Referenten veröffentlicht sind,
ist heute eines der Basiswerke der Graffiti-Forschung und wird in
unzähligen Seminar- und Diplomarbeiten, Dissertationen und anderen
wissenschaftlichen Texten zitiert - siehe Abbildung links. Gerade die breite
kulturwissenschaftliche Betrachtung des Phänomens Graffiti war
ein wichtiger Beleg und ein wichtiges Argument dafür, dass man diese
Kommunikationsform als anthropologische und kulturelle Konstante ansieht.
Im letzten Jahrzehnt kam es zu vielen technischen
und inhaltlichen Weiterentwicklungen, die weit über die klassischen
Graffiti-Formen hinausreichen und die unter dem neuen Oberbegriff
STREET-ART zusammengefasst sind:
Überwiegend junge Menschen eroberten neue
Freiräume für ihr Kommunikationsbedürfnis: die Rückseiten, die
Pfeiler und Masten von Straßenschildern, ungenützte Hauseingänge,
die Auslagenscheiben aufgelassener Geschäftslokale, Mauervorsprünge,
ungenützte Flächen auf so genanntem Stadtmobiliar - auf Briefkästen,
Parkbänken, Strom- und Sandstreukästen... Unentdeckt von
der breiten Öffentlichkeit breiteten sich kommunikative Räume für
künstlerische und gesellschaftskritische Aktivitäten aus, die heute
in jeder europäischen Stadt zu finden sind. Tausende Jugendliche sind
an dieser Kommunikation beteiligt und Künstler und Writer zeichnen, sprühen
und drucken ihre Tags,
Styles und andere Motive auf Aufkleber und Plakate, die unkompliziert und Zeit
sparend im Stadtbild angebracht werden - Devise: "stick it",
"alles klebt". Fachbegriffe wie Posting und Affichement,
Cut-Out und Sticker bezeichnen diese visuellen Manifestationen. Eine Definition finden
sie auf: http://www.graffitieuropa.org/streetart.htm
.
Dem Begriff STREET-ART werden auch die traditionellen künstlerischen
Pieces der Writer, die an den legalen Walls der Städte entstehen,
sowie die, ursprünglich aus Frankreich stammenden, Schablonengraffiti
(Pochoirs, Stencils) zugerechnet. Ein Interview für die Süddeutsche
Zeitung finden sie in der Graffiti-News Nr.: 109 - http://www.graffitieuropa.org/news/109.htm
.
Street-Art- und Graffiti-Galerie
des ifg: http://www.graffitieuropa.org/streetart/index.htm
Eine
umfassenden Kongress-Dokumentation, Arbeitstitel: 'Graffiti und
Street-Art in Europa' ist vorhanden und wird bei Gelegenheit
veröffentlicht.
Kongress-Programm
Samstag, 11.3.2006 |
Irmela
Mensah-Schramm, Berliner
Graffiti-Archiv
15 h, Dauer ca. 1,5 h |
Anti-Faschistin im Kampf gegen
rechtsextreme Kommunikationselemente, wurde für ihren Mut 2005
mit dem Erich Kästner Preis ausgezeichnet |
Albrecht Haller, Rechtsanwalt, Wien
16.30, Dauer ca. 1,5 h |
Street-Art und Graffiti aus
juristischer Sicht - rechtliche Möglichkeiten (der Verteidigung) |
SETA ROCK, SAND
(Pioniere des Writing in Österreich)
18 h, Dauer ca. 2 h |
Entwicklungsgeschichte des
Writing in Wien/Österreich, 1985 - 2006, frühe Bilddokumente,
Diskussion, ... |
Sonntag, 12.3.2006 |
Helmut Seethaler, Literat, Wien
15 h |
Zetteldichter, Ahnherr der
Street-Art-Bewegung |
Harald Naegeli, Deutschland,
Schweiz
16 h |
Der 'Zürcher
Sprayer' erzählt über seine Motivation, seine Entwicklung, seine
Erlebnisse und seine Sicht der Graffiti-Kultur. Mit anschließender
Performance. |
Grita Insam, Galeriebesitzerin
17.30 h |
Graffiti-Writing - die
importierte Kulturform. Grita Insam erzählt über das erste
Wiener Graffiti-Projekt (1984). Dazu wurden Writer aus New York
eingeladen und bei einer offiziellen Aktion wurde eine
Garnitur der Straßenbahn-Linie J besprayt. |
Montag, 13.3.2006 (externe
Termine - witterungsabhängig)
Kostenbeitrag € 10,-, Anmeldung erforderlich |
13 h
Clemens Wolf, Elisabeth Fritz |
Führung zu den Hot-Spots der
Street-Art-Kultur in Wien-Neubau (Dauer ca. 2 Stunden) |
13 h
Norbert Siegl,
www.graffitieuropa.org |
Führung zu einem der Wiener 'walls
of fame' (Dauer ca. 2 h) |
Dienstag, 14.3.2006 |
Rudolf Hübl, Volkskundler
16 h |
DER KONDOM ÜBER'M STEPHANSDOM
ODER "SAG NOCH EINMAL TSCHUSCH!"
Die "visual scandals" - Wiener Plakatkünstler im
öffentlichen Raum aus der Sicht der volkskundlichen
Kommunikations- und Medienforschung. |
4rtist.com
17 h |
11JAHRE BERLIN STREETART - 600
000 TA6s incl 50 000 Installationen. Beinhaltet
22.4.1967 Brüssel UTE 1996-1998 Stromausfall Linda
Gould Tower Boxi Swoon Solovei Obey Faile
|
Julia
Reinecke, Hamburg
18 h |
Die Street-Art- und Graffiti-Szene
in Brasilien
|
Mittwoch, 15.3.2006 |
Karl Schmidt,
Gebäudereiniger, Pöttelsdorf
16 h |
Unerwünschte
Graffiti - Möglichkeiten der Beseitigung und Prävention |
Peter
Illek, Wien
17 h |
Prähistorische
Graffiti in der Sahara – erlebte Kultur und Natur im historischen
Vergleich (DVD mit anschließender Diskussion) |
Johannes
Stahl, Kunsthistoriker, Köln
18 h |
Kunst und Graffiti - eine
Wechselperspektive aus kunsthistorischer Sicht,
mit Schlussfolgerungen für die Situation heute. Graffiti: heute
und früher
|
Rudi Maier, Kulturwissenschaftler,
Ludwigsburg D
19 h |
Hip Urban Spaces - zur
Kommerzialisierung der Street Art |
Donnerstag, 16.3.2006 |
JUIK789,
Künstler, Österreich
16 h |
Pick dich selber!
Video mit Werken und einem Interview |
Sascha Schierz, Soziologe, Köln
16 h (obwohl vereinbart, leider nicht erschienen) |
Street-Art, Graffiti,
städtischer Raum und die neoliberale Politik der Oberfläche |
Stanislav
Trifonov, NASTY, Graffiti-Künstler, Vertreter der bulgarischen
Graffiti-Szene
17 h |
Entwicklung der Street-Art- und Graffiti-Szene in
Bulgarien - die wichtigsten Namen und Werke |
Dessislava
Terzieva, Kunstwissenschaftlerin,
Sofia
18 h |
Die Ästhetik der unreglementierten
Kommunikation, ein Dissertationsprojekt |
Kathrin Schneider,
vergleichende Literaturwissenschaft, Innsbruck
19 h |
Präsentation eines
Dissertationskonzepts mit Diskussion: breakin'
the wall. graffiti als grenzüberschreitung in schrift und raum |
Freitag, 17.3.2006 |
Kain Logos, Künstler, Dresden
16 h |
'street art
galleries?' - Der Weg
der Straßenkunst in den geschlossenen Raum und zurück -
offizielle Ausstellungsprojekte |
Saul
Len, Kulturforscher, Frankfurter Graffiti-Archiv
17 h
|
Die politische Graffiti-Kultur in
Deutschland - 1980 - 2006
|
Hermann
Steininger, Volkskunde, Perchtoldsdorf
18 h |
Graffiti, Aktionen und Druckwerke
als Themen der interkulturellen Kommunikation
(Martin Luther's Thesen, Pamphlete, wilde Plakate, ... und die
Erfindung des Herrn Litfass)
|
19 h
Veranstaltung von 5uper.net |
Michail
Michailov, Ekaterina Radeva: Projekt ‚Der Kubus’. Performative
Installation im öffentlichen Raum. |
Samstag 18.3.2006 (Verschiebung bei der Abfolge der Referate
möglich) |
15 h - 16.30
Blek Le
Rat, Direktor, Künstler, Paris |
Der Begründer des
'Pochoirism'
erzählt über die Entwicklung der Schablonentechnik hin zur
künstlerischen Ausdrucksform und über die von ihm geleitete Kunstschule in
Paris. In einer praktischen Demonstration wird die Entstehung
eines Pochoirs gezeigt.
|
16.30 h
Dieter Schrage, Kulturhistoriker,
Wien |
Straßenkunst und
Gegenkultur. Von der Arena bis zum Protest gegen Schwarz-Blau |
18 h
Dominik Hebestreit,
Kommunikationsdesign, Auftragssprayer, Wuppertal D |
BRAIK the Chains.
Filmdokumentation/Portrait über einen Dortmunder Graffitisprayer
und Rapper. Ein Film über Subkultur, Regelbruch, schlechtes
Benehmen und Selbstverwirklichung. |
19 h
Sascha Kittel, Graffitiverein Leipzig |
Graffiti-Kultur in Leipzig. Ein
historischer Überblick - 1989 bis in die Gegenwart. |
Sonntag 19.3.2006 |
15 h
Peter Pilz,
Parlamentarier, Wien |
Street-Art und
Graffiti-Kultur aus Sicht der GRÜNEN, politischer Aktionismus in
Österreich, ... |
16 - 18 h
Christian Heinike, Otto Baum, KM 4042, Vertreter einer Künstlervereinigung in Halle, Deutschland |
1) die grafischen
Techniken der Street-Art-Künstler
2) Entwicklungen der
Street-Art in Halle und Berlin
3) die großen Namen
3) Vergleich der beiden Städte: Halle und Berlin |
18 h
Klaus Pichler |
Fürs Leben
gezeichnet. Gefängnistätowierungen und ihre Träger. Gemeinsamkeiten mit Graffiti - Symbolik, Motivation, Aussagewert,
... |
19 h
|
Abschlussrunde - Gespräch mit
den Organisatoren - Diskussion, Bewertung des Kongresses |
Termin nicht
zugeordnet - Ersatzreferate: |
KhochX, Künstlerin, Budapest und
Kain Logos, Künstler, Dresden
|
'Urban Art Videos' -
Filmdokumente über Streetart und Graffiti - Kurzfilmarbeiten von
verschiedenen Künstlern (Dauer: 1 Stunde) |
Norbert
Siegl, Psychologe,
Kommunikationswissenschaftler, Wien |
graffitieuropa.org
- die Website des Instituts für Graffiti-Forschung - 1998 - 2006.
Aktuelle Besucherzahlen, Reichweite, Angebote, ... |
Daten zum internationalen Graffiti-Kongress in
der Hochschule für Angewandte Kunst, Wien 1997:
Der Graffiti-Reader
Susanne
Schaefer-Wiery und Norbert Siegl, vollständig überarbeitete Neuauflage 2010: Essays internationaler
Experten zum Kulturphänomen Graffiti und ein ausgewählter Bildteil
aus der "Grafffiti-Dokumentation Europa". ISBN 3-901927-19-0,
graffiti edition,
Wien (Graffiti-News Nr. 20) SOFORT
LIEFERBAR! EUR 40,-
Inhaltsverzeichnis, Referenten
- Peter Gorsen: „Graffiti und Art Brut“
- Andrea Jakobs: „Stille Orte - Laute Sprüche“
- Irmela Mensah-Schramm: „Aktiv gegen
Hass-Graffiti“
- Bady Minck: „Invasion vom Mars und kopulierende Affen“
- Angelika Overbeck: „Der Zorn als Lehrmeister“
- Susanne Schaefer-Wiery: „Graffiti im Bild. Über die Darstellung von Graffiti in der Malerei“
- Norbert Siegl: „Kulturphänomen Graffiti. Das Wiener Modell der Graffiti-Forschung“
- Hermann Steininger: „Bilder und Zeichen im Rahmen der Volkskultur"
- Beat Suter: „Graffiti-Cyberland - Objekte im Spiegel des Verschwindens“
- Peter Vitouch: „Kommunikationsmodelle - die Eigenart der Kommunikationsform Graffiti“
- Barbara Wichelhaus: „Graffiti von Leprakranken“
- Podiumsdiskussion: „Writing in Österreich"
- Bildteil:"Graffiti Dokumentation Europa"
- Das Institut für Graffiti-Forschung
- Das Wiener Graffiti- und Street-Art-Archiv
©2012, Norbert Siegl (Konzeption, Organisation) 0043 699 8139 0029
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