22.6.2002
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Graffiti an einem
Mauervorsprung, Wien-Hernals, Juni 2002
©ifg |
In den letzten Tagen entwickelte sich eine e-mail
Diskussion mit einer angeblichen deutschen Rechtsspezialistin in
Graffiti-Angelegenheiten (Uduwerella). Diese Diskussion sprengte jeden Rahmen der
Kuriosität und endete darin, dass die Dame alle ihre
"Beschuldigungen" zurückzog, keine weitere Kommunikation
wünscht und erkrankte: http://www.graffitieuropa.org/news/026.htm
Es gibt immer wieder Versuche, uns
sozusagen zu einer "Geheimkommunikation" zu bewegen. Als
registrierter wissenschaftlicher Verein kann es "Geheimnisse"
nicht geben, da alle Unterlagen natürlich einsehbar sind.
20.6.2002
Sehr geehrter Herr Dr. Siegl!
Anbei die Fragen zum Buchprojekt "Graffiti in Tirol", um deren rasche Beantwortung ich höflich bitte:
Wie schätzen Sie den Stellenwert Innsbrucks im Rahmen der Graffiti-Szene in Österreich neben den anderen Zentren ein?
Innsbruck hat insgesamt hinsichtlich Graffiti einiges zu bieten, im internationalen Vergleich setzte sich die Variante der „american graffiti“ allerdings sehr spät durch und es bleibt abzuwarten, wieweit sich eine „eigenständige Bildersprache“ entwickeln wird.
Welche Rolle spielt dabei das Naheverhältnis zu Bayern/Deutschland und Italien?
Die Münchner Szene, eine der frühesten und zugleich aktivsten in Mitteleuropa, hat einen
großen Einfluss auf Österreich, v.a. zuerst auf Wien gehabt, später dann auch auf die anderen
großen Städte wie Linz und Salzburg, später auf Innsbruck.... Natürlich begünstigte das geografische Naheverhältnis den Austausch von Information und die Entwicklung einer Szene auch in Innsbruck. Ein weiterer Aspekt ist die einzigartige geografische Lage Tirols mit seinen Hauptverkehrwegen entlang des Inntales, wo seit langer Zeit die Graffiti auf den Trains zum gewohnten Bild gehören und natürlich die Rezipienten beeinflussen....
Inwieweit widmet sich das Institut für Graffitiforschung der Tiroler Situation und hierin dem "Sonderfall" Stadt Innsbruck und der anderen Lage auf dem Land in den Bezirken?
Gerade Tirol und v.a. Innsbruck sind hinsichtlich Graffiti sehr gut erforscht, siehe dazu die Veröffentlichungen auf
‚http://graffiti.netbase.org‘. Die Tiroler Situation und speziell die Stadt Innsbruck sind international betrachtet aber keineswegs ein „Sonderfall“. Die Diskussion, wie sie in Innsbruck geführt wurde, war in jeder
größeren Stadt ähnlich geführt worden und führte in manchen deutschen Städten zu einer regelrechten Hexenjagd auf Sprayer, eine Entwicklung die von Innsbruck ja abgewendet werden konnte. Den Verantwortlichen in Innsbruck ist allerdings eine gewisse
Ignoranz den internationalen Entwicklungen in der Jugendkultur vorzuwerfen, immerhin reichen die Wurzeln der Writer- und Sprayer-Bewegung in das Jahr 1970 zurück –
insofern ist es verwunderlich, dass eine internationale Bewegung, die nach dreißig Jahren eine Stadt erreicht, die Verantwortlichen offenbar völlig unvorbereitet antraf....
Das Institut für Graffiti-Forschung hat in diesem Zusammenhang – dann, wenn wir konsultiert wurden – versucht, aufklärend einzugreifen, indem wir z.B. der TTZ Informationen zur Verfügung stellten. Ein anderer Teil unserer Arbeit besteht in weiträumiger Verbreitung unserer Informationen, so wurden z.B. alle höheren Schulen in Tirol von uns informiert... Ein Ergebnis davon
war, dass sehr viele junge Leute aus Tirol beim Europa Graffiti-Workshop
teilnahmen, wo die Technik des Sprayens völlig legal künstlerisch eingesetzt
wurde.
Welche Ergebnisse ergaben Ihre Feldforschungen vor Ort in Tirol im Jahr 1999?
Wir führten in Innsbruck schon einige Forschungen im Rahmen der Graffiti-Doku Europa durch und werden dies auch weiter im Auge behalten – eine kurze Zusammenfassung ist auf
http://graffiti.netbase.org nachzulesen. Aufgrund der Internationalität und seiner Rolle als Universitätsstadt hat Innsbruck eine sehr bunte Graffiti-Szene und die manifesten Produktionen reichen bis ins Jahr 1781 zurück. Weit verbreitet sind v.a die klassischen Touristengraffiti aufgrund der hohen Besucherfrequenz. Aber ebenso vielfältig sind die politischen
Äußerungen die das gesamte politische Spektrum – von „Links-anarchistisch“ bis „Rechtsextrem“ wiedergeben. Künstlerisch wertvolle Pieces sind ebenso verbreitet und man kann an einigen Stellen noch die sehr schönen grafischen Graffitivarianten finden wie sie in der Nachfolge von Harald Naegeli, dem Zürcher-Sprayer Ende der Siebziger-Jahre entstanden. Die Writer-Kultur ist mit hochwertigen Produktionen dagegen etwas unterrepräsentiert.
Wie bewerten Sie die "Ergreiferprämien-Diskussion"? Welche Auswirkungen hatte diese auf die Szene?
Wir haben uns dazu schon ausführlich der TTZ gegenüber geäußert. Die Ergreiferprämie ist ein Vorschlag, der wohl ohne Kenntnis der Internationalität der Graffiti-Szene entstanden ist und der natürlich katastrophale Auswirkungen auf die Stimmung der Stadt haben würde. Einerseits würde damit das „Vernaderertum“ gefördert, andererseits die Jugendszene verunsichert. Dass es tatsächlich die gewünschte Wirkung einer Eindämmung von Graffiti haben würde, ist zu bezweifeln da gerade die Illegalität und die damit verbundenen Gefahr eine wichtige Motivation darstellen. Weit günstiger – auch aus ästhetischen Gründen - wäre die Zurverfügungstellung von legalen Flächen, sogenannter „walls of fame“. Internationale Erfahrungen zeigen, dass dies im allgemeinen dazu führt, den Wettbewerb unter den Sprayer qualitativ zu erhöhen und künstlerisch wertvolle Pieces das Ergebnis sind.
Es gibt viele Belege dafür, wie sehr
die Fußball-WM die Öffentlichkeit beschäftigt. Es gibt kaum ein
konventionelles Medium, das sich nicht dieses Themas annimmt.
Hier ein Beleg für die Aktualität der ältesten
Kommunikationsform der Menschheit:
Die Konstellation der Spieler der türkischen Nationalmannschaft bei einem
bestimmten Spiel am 13.6.2002.
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Informative und gute Internet-Seiten
bietet der deutsche Bildungsserver. Hier der Zugang zu
sämtlichen - im Parlament vertretenen - Parteien und deren
Landesorganisationen:
http://www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite=658
19.6.2002
Zwei Klassiker und Kings der Graffiti-Kultur:
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Über "Style"
berichteten wir schon an einigen Stellen, u.a. in der
Graffiti-Enzyklopädie auf Seite 201.
Als wir 1991 eine grosse Forschungsrunde
in Wien und den umliegenden Gemeinden in NÖ machten, war sein
Logo allseits präsent, sicher tausendfach. In der Wiener
Sprayer-Gemeinde war er trotzdem wenig anerkannt, es wurde ihm
vorgeworfen, dass seine Styles zu simpel seien und offenbar
nicht den kalligraphischen Erwartungen der gerade sich
entwickelnden Writer-Bewegung entsprachen. Wie auch immer -
quantitativ betrachtet war er der erste echte ALL CITY KING und wir
würden uns über eine Kontaktaufnahme von ihm freuen. |
Killroy-Motiv neben einem
Hauseingang im 7ten Wiener Gemeindebezirk. Im Gegensatz zum oben
erwähnten Tagger namens Style - der seine Schriftzüge
individuell verbreiten musste - nahmen sich des Kilroy-Motivs
tausende Aktivisten an und verbreiteten es weiter.
Das abgebildete Beispiel ist im Original
ca. eineinhalb Meter lang. |
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Aktuelles Motiv vom ersten
Wiener
Walls, Juni, 2002 |
Klassisches historisches
Graffito aus Wien, sicher ist das Motiv schon um 1990 belegt und
ist auch heute noch (leicht verwittert) vorhanden.
Eine thematische Graffiti-Variante, die
man kaum noch antrifft.
Dokumentationszeitpunkt: Juni, 2002, Wien
7. Bezirk
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18.6.2002
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Graffiti und Symbolforschung:
Doppeltes Anarchisten-A aus dem 7ten
Wiener Gemeindebezirk. |
Fassadengestaltung im Stil der
Graffiti der Writer-Kultur.
Wien, 7. Bezirk, Juni 2002 |
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(Protest-) Graffito an der
Fassade der Akademie für bildende Kunst in Wien:
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Graffiti und
Symbolforschung:
Davidstern und Hakenkreuz
vereint - zeitspezifische
Reaktion auf die Vorgänge in Israel
und Palästina, Wien, 2002 |
Beiträge aus einer
Frauentoilette in Wien |
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Themen:
LIEBE und Warnung vor Männern.
©Schaefer-Wiery, 2002 |
17.6.2002
Graffito von Fans des Fußballklubs
1860 München. Fundort: In der Nähe eines großen Wiener Flussballstadions. |
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Über die Rolle von Graffiti bei
den Fans verschiedener Sportgruppen berichteten wir bereits an
anderer Stelle (auch im Zusammenhang mit der momentan
stattfindenden Fußball-WM), in der Graffiti-Enzyklopädie gibt es
Bildbeispiele auf Seite 228. Die meisten Graffiti dieser Art in
Wien stammen von Anhängern des SK Rapid (meist SCR geschrieben)
und beinhalten oft recht kriegerische Aussagen und Symbolik.
Graffiti von Fußballfans kann man in ganz Europa (und
wahrscheinlich überall auf der Welt) finden, besonders viele
begegneten uns bei den Forschungen in Italien. |
Graffiti und Indikatorfunktion:
Dass Graffiti sehr gut geeignet sind, um Auskunft
über die Probleme einer Gesellschaft zu geben, ist vielfach belegt.
Hier ein aktuelles Beispiel aus der Tageszeitung KURIER, 17.6.2002, S 3.
In einem Artikel (von Margaretha Kopeinig) über Ausländer-Zuwanderung
in Spanien wird u.a. folgendes berichtet:
... "Unverblümt steht in der
Provinzstadt Almeria, eine halbe Autostunde von El Ejido entfernt, auf
Hauswänden, was sich viele Männer denken: "Moros No, Rusas
Si!" - Marokkaner Nein, Russinnen Ja!" ...
Graffiti der Writer-Kultur von
einer Wiener Bahnlinie:
BRAZE - als Tag-Style das
verbreitetste Graffito in Wien in den Jahren 01 und 02 - durch die Outlines ergibt sich
ein leichter 3D-Effekt. |
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"37" häufig
anzutreffendes Zahlengraffito aus Wien, signiert mit Dream-Team
und 2000.
Was die "37" hier im konkreten
bedeutet, ist unbekannt. Aus anderen Städten weiss man, dass
oft Teile der Postleitzahl als Bezeichnung für einen Crew-Namen
verwendet werden. Historisch interessant der Tagger "Taki", der die (New Yorker-) Zahl der Strasse,
in der er wohnte, hinter seinen Namen setzte. |
Den Zugang zu allen bisher
veröffentlichten News-Artikeln mit
kurzer Inhaltsangabe (Schlagwörter, Keywords) finden
sie in der Graffiti-Enzyklopädie!
Zur zuletzt veröffentlichten
Ausgabe (Graffiti-News Nr. 24): Graffiti
News, 24/2002
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