Seltsame und überflüssige Stellungnahme zur Writer-Kultur von Akira X.
Nachdem Herr Akira eine Diskussion wünscht, leiten wir Antworten
gerne an ihn weiter:
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist erfreulich zu sehen, dass sich Menschen so intensiv mit einer so negativ behafteten Kultur wie Graffiti beschäftigen. Dafür sei Ihnen an dieser Stelle gedankt.
Auf der anderen Seite sehe ich gewisse Gefahren in Ihrer Arbeit. Ich beziehe mich da nur auf Graffitis im Sinne von Tags, Pieces usw. Denn grade beim lesen des Guestbooks wird deutlich, dass Menschen aus reinem Trendbewusstsein versuchen sich dieses Hobby anzueignen. Ganz zu schweigen vom dortigen massivem Sell-out. Natürlich ist es sinnvoll eine Kontaktstelle zu haben wo man sowohl Aufträge, als auch Writer zur Ausführung selbiger erhalten kann. Aber man kann an der heutigen Gesellschaft ausgezeichnet erkennen, was passiert, wenn eine Subkultur verraten und verkauft wird. Plattenbosse, die mit Geldscheinen für schlechte Massenproduktionen werben; Teenys, die sich für dicke Gangster halten und nicht einmal verstehen, was das Wort "Respekt" eigentlich zu bedeuten hat; ... die Liste ist sehr lang.
Natürlich ist die gesamte "Graffiti-Szene" (Ich vermeide ganz bewusst den in vielen Augen falschen Ausdruck "HIP-HOP-Kultur") keine friedliche Kiffer-gemeinde, aber erst in den letzten Jahren des Graffiti-Sell-outs ist die Gewalt in der Szene dadurch massiv angestiegen. Jeder versucht (zur Not mit Gewalt) ein Stück vom Kuchen abzubekommen... zumindest bis er sein Hobby wechselt und Golf-spieler wird. (Ich hoffe Sie verstehen, was ich damit meine)
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Graffiti kein nettes kleines Hobby oder gar eine Möglichkeit zur billigen Gestaltung ist. Wer sich für Graffiti entscheidet tut das nicht, weil es "trandy", "in" oder "gangstermässig" ist! Es
heißt nicht "Graffiti malen", sondern "Graffiti leben"! Wer danach lebt, kennt die Spielregeln und hat diese zu akzeptieren.
Zum Anderen habe ich ein massives Problem mit dem Begriff Hip-Hop-Kultur (Oder auf Ihrer Homepage "HipHop-Gallery") in der Öffentlichkeit.
Durch diese Bezeichnung verbindet die Öffentlichkeit mit Graffiti gleich Hip-Hop-Musik, Rap, Breakdance, Skaten usw.
Vor einigen Jahren las ich ein Interwiev mit .... ich denke es war "Mode2" oder sogar "Seen".... das mich nachdenklich machte. Im Prinzip hat Graffiti wirklich nur extrem wenig mit Hip-Hop, breakdance und Rap zu tun. Jede dieser Life-styles hat sich selbstständig entwickelt. Auch wenn sie aus dem selben Umfeld stammen und inhaltliche Gemeinsamkeiten (wie z.B. Writer-texte) aufweisen. Ein Großteil der Writer, die ich kenne haben mit Hip-Hop soviel zu tun wie (gestatten Sie mir dieses Zitat) "Gregor Gisy mit dem Wootang-clan". Man kann einen Writer auch nicht, wie so oft behauptet, am
äußeren erkennen. Die "traditionelle" Kleidung eines Writers ist übrigens auch ein interessantes Phänomen. Viele Jugendliche laufen herum, als wären sie böse, schwarze (nicht rassistisch gemeint!)
Großkriminelle, Breaker, Writer und Rapper. In Wirklichkeit wissen diese jungen Menschen grade einmal,
dass Hip-Hop etwas mit Sprechgesang zu tun hat.
Die Realität sieht dagegen ganz anders aus. In meiner ganzen Laufbahn als Writer habe ich nicht einen wahren Writer getroffen, der mit Baggy-pants, Stirnband und Football-dress herumläuft und dabei noch aussieht, als wäre er eine grade aus dem Kaufhaus entflohene Puppe. Ein writer tut eine schmutzige Sache. Warum sollte er also aussehen, als ob er jeder Morgen neue Kleidung kauft?! Er definiert sich nicht über ein aufgemotztes pikobello sauberes Outfit, sondern durch seine Leistung. Was natürlich auch für Rapper, DJs usw. gilt. Daher ist mir auch unverständlich, wieso heutzutage in Deutschland mit so einer
Intoleranz an das Thema Graffiti herangegangen wird. Jeder Writer war mal schlecht, dann wird er besser und sollte anstatt junge Writer zu dissen, diesen helfen herauszufinden, ob sie sich
diesem Leben wirklich stellen möchten.
Hinzu kommt, dass sich der Graffiti-Nachwuchs von heute das ganze etwas zu einfach macht und Respekt und Planlos an legalen Wänden lernt. Jeder hat mal angefangen. Aber wenn man nicht das nötige Können besitzt um vorhandenes zu crossen, dann hat man an dieser Wand auch nichts zu suchen. Das wird nur zu gern übersehen und der Gewaltkreislauf beginnt von vorn.
zu meiner Person:
mein sowohl als Pseudonym wie auch im realen Leben gebrauchter Name ist "Akira X". Ich bin 24 Jahre alt und nun seit ca. 10 Jahren Writer. Diverse kleinere,
mittelgroße und öffentliche Aufträge habe ich bereits gesprüht / gezeichnet. Mein Berufsziel ist es, selbstständiger Grafiker zu werden.
Wenn sie bis hierhin gelesen haben, danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, dass ich meine Gedanken an fachlich versierter Stelle loswerden durfte und
noch einmal für Ihre Arbeit im Bereich Graffiti. Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Akira X
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