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zur internationalen Auftragsvermittlung - Wandgestaltungen

Norbert Siegl: 

Kulturphänomen Graffiti.
Das Wiener Modell der Graffiti-Forschung

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Teil 4: Liebe, Sexualität, Homosexualität, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit

 

Liebe

Potsdam, 1994

Während der vorhin besprochene Bereich der politischen Stellungnahmen sehr zeitspezifisch und jeweils von kurzer Aktualität, als Bereich "öffentliche Angelegenheiten" aber historisch alt ist, ist die nun besprochene Kategorie von zeitloser Dauer und Relevanz - v.a. bei jüngeren Menschen und Kindern. 

Die vielen verschiedenen Aussagen machen eine sehr genaue Subkategorisierung möglich. Es sind alle emotionalen Höhen und Tiefen der Liebe dokumentierbar. Die drei größten Subbereiche sind Liebeserklärungen, Klagen über Einsamkeit und das Ende von Beziehungen.


 

Sexualität/Homosexualität


Wien, 2003


Berlin, 1994 - Zeichnungen, Inserate

Der Übergang von Liebe zu Sexualität ist fließend und kommt sehr schön im weitverbreiteten Spruch zum Ausdruck: "Love is a name, Sex is a game, forget the name and play the game!" Es bestehen sehr große Unterschiede bei den Geschlechtern im Umgang mit diesem Thema, besonders bei Männern haben Reime und parolenartige Ausdrucksweisen Tradition, während bei Frauen viel stärker aufeinander eingegangen wird, indem Dialoge und Polyloge entstehen können und  gegenseitige Aufklärung und Hilfestellungen anzutreffen sind. Bei Männern sind die Aussagen sehr reduziert, dabei oft auch witziger. Neben dem rein verbalem, schriftlichem Ausdruck gibt es sehr viele Zeichnungen. Ein großer Teil bezieht sich auf die Penislänge, viele "Frauenbilder" sind zu finden, meist mit starker Betonung der primären Geschlechtsorgane. Die vielen phantasievollen Sexpositionen, die alle denkbaren Varianten darstellen, illustrieren ein umfangreiches "Kamasutra der Volkskultur". 

Zum Thema "Geschlechtsspezifische Kommunikationsmuster" empfehlen wir die Seite: http://graffitieuropa.org/klograffiti.htm 

Diesem Bereich zugeordnet sind auch die Graffiti von Homosexuellen. Diese, bis vor einigen Jahrzehnten gesetzlich verfolgte, Subgruppe hatte wenig öffentliche Kommunikationsmöglichkeiten, daher wurde oft zu dieser Form der Informationsvermittlung gegriffen. Dass nach Legalisierung homosexueller Praktiken unter Erwachsenen, diese Logen oder Klappen auch heute noch weiter bestehen, lässt sich am ehesten mit der langen Tradition dieser Örtlichkeiten erklären. Übrigens gab es früher auch eigene Polizeitrupps, die diese Orte durchsuchten, die Botschaften an den Klowänden lasen und dort wohl auch gelegentlich Verhaftungen vornahmen.

Das Institut für Graffiti-Forschung hat zum Thema Sexualität die Subseite "Graffiti und Sexualität" eingerichtet, wo Basismaterialien zur Sexualforschung veröffentlicht werden:

http://graffitieuropa.org/sex.htm 


 

Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, interkulturelle Kommunikation

Zurück zu jenem Bereich von Politik, in dem man genau den emotionalen Gegenpol zur Liebe findet, wo die Gefühlsqualität des Hasses dominiert, nämlich zu den Graffiti von rechtsextremistischen Aktivisten und Propagandisten.

Es besteht eine hohe Korrelation bei den diversen Aussagen, fundortspezifisch kann man sie in ganz Europa verbreitet finden. Erwähnenswert ist aber, dass es daneben zwei Orte gibt, die besonders gern zur Agitation genutzt werden: zum einen sind dies jüdische Friedhöfe - Berichten über so genannte "Schmierereien" kann man immer wieder in den Medien begegnen - ein anderer Fundort sind alte verlassene Bunkeranlagen aus den Weltkriegen, in denen oft heimliche Treffen von meist jugendlichen NS-Sympathisanten stattfinden, die dort die klassischen Parolen und Symbole hinterlassen. Eine Einteilung dieser Graffiti ergibt als häufigste inhaltliche Bezüge Aussagen zum "Führer" und Führerkult in Verbindung mit grossdeutschem Patriotismus.

Subgruppen der Jugendkultur, bei denen diese Ideologie anzutreffen ist, sind v.a. Skinheads und Hooligans, neuerdings auch Angehörige der GABBA bzw. GABBER-Kultur.

Häufigstes Symbol ist das Hakenkreuz, ein geschichtlich ursprünglich positiv besetztes Zeichen - das man in verschiedenen Kulturen, weitaus nicht nur im "arischen", also indogermanischen Kulturkreis finden kann - sondern ebenso in Japan und das bis nach Südamerika verbreitet ist. Auch hier in Wien findet man genügend Hinweise auf die Verwendung von Hakenkreuzen unabhängig von der NS-Ideologie. So gibt es etwa in der Schausammlung des MAK (Museum für Angewandte Kunst) ornamentale Hakenkreuze auf einem katholischen Messgewand aus dem 13. Jahrhundert und - in linksgedrehter Variante - auf der Brust einer indischen Buddhastatue zu sehen. Die Hakenkreuze, denen man als Graffiti in den Straßen begegnet, stehen aber großteils in neofaschistischem Kontext. Interessanterweise entwickelte sich daran eine weit verbreitete Volkskultur der Ablehnung mit klaren, immer wiederkehrenden Mustern. So entstand im Laufe der Zeit ein fotografischer Hakenkreuzzyklus, der fortlaufend mit neuen Varianten, die bei den Feldforschungen begegnen, angereichert wird. Der heutige Archiv-Bestand umfasst rd. 100 verschiedenartige Ablehnungsvarianten - siehe ein Beispiel links.

Die Feindschaften richten sich gegen Ausländer im Allgemeinen (AUSLÄNDER RAUS), gegen bestimmte Volksgruppen, ganz besonders aber gegen die Türken. Daneben findet man auch klassischen Rassismus (gegen Schwarze - NEGER RAUS, KILL NIGGERS, FUCK NIGGERS, etc.), Antisemitismus und neuerdings verstärkt auch religiöse Auseinandersetzungen (Islam und Christentum) .

Eine absolute internationale Einzigartigkeit sind die Graffiti eines einzigen Wiener Aktivisten (siehe Abbildung links), der seit 2000 das gesamte Stadtbild mit seinen gleichförmigen - mit Wachskreide geschriebenen - "NEGER RAUS" - "RAUS NIGGER" - Graffiti prägt. Insgesamt verbreitete er in den letzten Jahren ca. 12.000 dieser Inschriften, ohne dass seine Identität bekannt wurde.

Die langsame Auflösung Jugoslawiens in den 1990er Jahren konnte man genau mitverfolgen - Graffiti von SLOWENEN, KROATEN, BOSNIERN, bis hin zu KOSOVO-Albanern begleiteten die nationale Selbstbehauptung. Die Auseinandersetzung unter den einzelnen Volksgruppen findet bis heute in Wiener Graffiti ihren Niederschlag und das gemeinsame Feindbild ist der serbische Staat. Das serbische Kreuz mit der Bedeutung "NUR EINIGKEIT RETTET SERBIEN" ist eines der häufigsten Graffiti-Symbole in Wien, im Bild links in einer abgewandelten Variante.

Gerade die Graffiti des politischen Bereiches können sehr gut über "unterschwellige" Tendenzen und Spannungsfelder Auskunft geben. Das Institut für Graffiti-Forschung führte dazu 2007 eine Studie durch, genauere Informationen, auch zur daraus resultierenden Wander-Ausstellung, sind auf folgender Seite veröffentlicht: http://www.graffitieuropa.org/rechtsextremismus.htm



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