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 Von der Straße ins Studio und zurückEine facettenreiche Sommerausstellung in der Kunsthalle Wien
 
 Von der Annahme, die Ausstellung „Street an Studio. Von Basquiat bis 
          Séripop“ habe Streetart zum Inhalt, musste ich mich lösen. Streetart, 
          diese in den 1990er-Jahren aus den USA kommende 
          Post-Graffiti-Bewegung, ist nur periphär Inhalt dieser großen 
          Sommerausstellung in der Kunsthalle im Museumsquartier (bis 10. Okt. 
          d. J.). Die Ausstellung „Street and Studio“ ist – so betont der 
          Pressetext der Kunsthalle – „die künstlerische Reflexion darüber, wie 
          die Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum ihren Transfer in den 
          geschlossenen und geschützten Räume von Atelier/Studio und 
          Ausstellungsraum/White Cube erlebt, ist ein essentielles und kritisch 
          beleuchtetes Thema der Ausstellung.“ Und die Ausstellung „konzentriert 
          sich auf den dynamischen künstlerischen Schaffensbereich einer durch 
          Urbanität und Mobilität charakterisierte zeitgenössischen 
          Künstlergeneration, deren Inspirationsquelle und Ausdrucksform die 
          Großstadt ist.“
 Im Zentrum von „Street and Studio“ stehen Leinwandbilder von 
          Jean-Michel Basquiat (1960-1988), der, in Brooklyn geboren, aus der 
          New Yorker Graffitiszene und Subkultur um 1980 kommt und mit Hilfe von 
          Andy Warhol und des potenten Züricher Warhol-Galeristen Bischofberger 
          bis zu seinem Drogentod 1988 ein Star der internationalen Kunstszene 
          (Kunstmarktes) wurde. Interessant in der Ausstellung sind die 
          Gemeinschaftsarbeiten - so von Jean-Michel Basquiat und Keith Haring 
          (1958-1990), dem wohl populärsten „Graffitikünstler“, der eigentlich 
          nicht aus der Szene, sonder von der School of Visual Arts in New York 
          kommt.
 
 Mit Leinwandbildern kunstmarktkonform
 Insgesamt dominieren in dieser Ausstellung die Leinwandbilder – so die 
          der in New York lebenden Rita Ackermann, die Gemeinschaftsarbeiten der 
          New Yorkerin Jenny Holzer und der aus der Graffitiszene kommenden 
          Ecuadorianerin Lady Pink sowie die Arbeiten auf Papier der Ägypterin 
          Basim Magdy. Und es gibt auch Leinwandarbeiten von Futura und 
          Ramm:ell:zee, die beide der New Yorker Graffiti- und Hip-Hop-Kultur 
          der 1970er-Jahre entstammen, sowie von dem Franzosen Blek le Rat, der 
          mit seinen Pochiors (Schablonensprühbilder) in den 1980er-Jahren zu 
          einem Pionier der Graffiti in Europa wurde und von dem sich in der 
          Ausstellung die Rekonstruktion eine Bauzaunes mit Schablonengraffiti 
          befindet. Auch Banksy, der intelligent ironische und p. r. gewandte 
          Star der aktuellen Streetart ist mit guten Arbeiten auf Papier 
          vertreten.
 Kaum verständlich für mich ist, dass von Harald Naegeli, dem „Sprayer 
          von Zürich“, der ab dem Ende der 1970er-Jahre mit seinen rasch 
          gesprayten Strichfiguren gegen die großstädtische Betonwelt anging und 
          als Künstler Weltberühmtheit erlangte, nur mit einem Film gezeigt 
          wird. Vor allem vollzog der Sprayer Harald Naegeli Ende der 
          1980er-Jahre exemplarisch den Schritt von der Straße ins Studio. Er 
          machte Zeichen- und Sprayperformance – so u. a. 1991 bis 1993 
          gemeinsam mit dem österreichischen Komponisten Karlheinz Essl die 
          musikalische Spray-Performance „Partikel-Bewegungen“. Ansonsten ist 
          Studiokunst – sie ist ja auch viel leichter in eine Ausstellungshalle 
          zu transferieren als Straßenkunst – in „Street and Studio“ reichlich 
          vertreten und diese reicht von den Plattencover Jean-Michel Basquiast 
          oder Ari Marcopoulos Installation mit Graffiti-Fotos über Dara 
          Birnbaums Video „Damnation of Faust: Evocation“ aus 1983 bis zu einer 
          2-Kanal-Videoprojektion des in Wien lebenden Leopold Kessler oder 
          einem engagierten Musikvideo „Schwoaza Mann“ der Kärntnerin "miz 
          Justice".
 Überzeugende, teilweise subversive Streetart pur kommt von dem mir 
          bisher nicht bekannten in Wien lebenden Grazer Christian Eisenberger 
          und von der mir bisher ebenfalls nicht bekannten, in Wien lebenden 
          Malerin und Installationskünstlerin Rita Vitorelli. Also doch 
          Streetart!
 Insgesamt eine facettenreiche Ausstellung, deren Konzept sich mir 
          letztlich nicht entschlüsselte. Doch das kann ja auch an mir liegen 
          und nicht an der Kuratorin Cathèrine Hug und dem Kurator Thomas 
          Miessgang. (??).
 
 Dieter Schrage
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              12.7.2010     Über die Vorbereitung einer Ausstellung in der 
              Kunsthalle Wien (und einige Seltsamkeiten in diesem Zusammenhang) 
              berichteten wir bereits in der
              Graffiti-News 
              Nr. 316     Links ein fundierter Überblick über das, was 
               
              tatsächlich zustande kam (von Dieter Schrage)   |